Die Winkelspinne (Tegenaria)

Veröffentlicht am 07.07.2010 in Allgemein, Tiere im Garten

Bei etlichen Lesern werden sie Ekel hervorrufen und doch nehmen die Spinnen als Feinde der Gartenschädlinge den obersten Rang ein. Allein schon deshalb lohnt es sich, dafür zu sorgen, dass sie in unserem Garten heimisch werden und sich dort wohl fühlen.

Um Vorurteile abzubauen und auf die achtbeinigen Helfer aufmerksam zu machen, wird seit ein paar Jahren von der Arachnologischen Gesellschaft die Spinne des Jahres gewählt. Im Jahr 2008 bekam die Große Winkelspinne aus der Familie der Trichterspinnen diese Auszeichnung. Außer ihr gibt es bei uns noch andere Winkelspinnenarten, so z. B. die Mauerwinkelspinne, die Hauswinkelspinne oder die Feldwinkelspinne.

Vom Aussehen her ist die Winkelspinne recht unscheinbar, es sei denn, sie hat bereits eine beachtliche Größe erreicht. Die Gesamtspannweite kann bis zu 10 cm betragen. Wenn sich solch ein Prachtexemplar auf einer hellen Wand präsentiert, wird sie durchaus Schauer über den Rücken jagen, auch denen, die keine ausgeprägte Spinnenphobie haben. Die eigentliche Körperlänge beträgt beim Weibchen max. 18 mm und beim Männchen bis zu 14 mm. Von hellerem Braun bis hin zu fast schwarz, je nach Art, variieren die Farbnuancen. Manche haben zudem geringelte Beine wie z. B. die Rostrote Winkelspinne. Die Männchen sind meist etwas heller und besitzen einen kleineren Körper als die Weibchen, dafür aber längere Beine im Verhältnis zum Leib. Typisch für alle Arten sind die winkelartigen Zeichen auf dem Rücken, daher auch der Name. Oder gab man ihn ihr, weil sie sich besonders gerne in Winkeln aufhält?

Winkelspinne (Tegenaria)

Mit ihrer Vorliebe für verborgene dunkle Ecken und Nischen wird man die Spinne gar nicht so oft zu Gesicht bekommen, besonders die Weibchen. Denn die harren meist in ihrem Netz aus und warten dort auf Beute. Trichterspinnen, zu denen die Winkelspinne gehört, bauen ihr Netz trichterförmig in einen Mauerspalt oder Ähnlichem, damit sie sich dort geschützt zurückziehen können. Zum Beutefang wird das Netz ins Freie hin ausgeweitet, die Veranda sozusagen. Um die Ausbeute und auch die Stabilität gegen Wind und Regen zu erhöhen, ist dieser Freisitz sogar mehrlagig gesponnen. Nur wenn der Ertrag an dem gewählten Wohnsitz nicht stimmt, wird umgezogen. Die Männchen sind wesentlich mobiler, besonders wenn sie auf Freiersfüßen wandeln. „No risk, no fun!“, lautet deren Devise, denn ist erst mal ein Weibchen gefunden, das aber gar nicht zur Paarung bereit ist, kann es durchaus gefährlich werden. Es ist allerdings nicht so, wie man landläufig meint, dass die „Damen“ prinzipiell die „Herren“ nach „volltaner Arbeit“ auffressen. Ist sie bei Laune, dauert die Paarung sogar einige Stunden (mit Verschnaufpausen!) und das Männchen muss nicht um sein Leben bangen. Allerdings wird es einen schnellen Rückzug vorziehen, aus Sorge, dass das frisch begattete Weibchen doch noch Fressgelüste bekommt. Einen Monat später, es ist dann schon Herbst, wird der Kokon für die Eier gewebt, manchmal sogar mehrere. Dick gepolstert müssen die Babykokons sein, damit die Nachkommen den Winter dort vor Kälte geschützt überstehen, um im kommenden Frühjahr zu schlüpfen. Die erwachsenen Tiere fallen über den Winter in eine Kältestarre. Spinnen sind Nestflüchtlinge, das heisst, sie sind sofort eigenständig und werden nach dem Schlüpfen sehr bald das Weite suchen, zumal der Hunger auch vor Bruder oder Schwester nicht halt macht.

Da alle Spinnentiere Gliederfüßler sind, deren Haut nicht mitwächst, müssen sie sich regelmäßig häuten. Sie steigen dann sozusagen aus ihrer alten Kleidung heraus, die aufplatzt, wenn sie zu eng ist. Die neue Haut ist zunächst ganz weich und muss erst aushärten.

Auf ihren langen Beinen kann die Spinne richtig schnell sein. Dies ist nicht nur wichtig für die Flucht, denn das gesponnene Netz klebt nicht so richtig. Verfängt sich Beute, die Spinne nimmt jede kleinste Schwingung im Netz sofort wahr, schießt sie darauf zu, um mit ihrem toxischen Biss gleich mal eine Lähmung hervorzurufen, damit der Happen nicht wieder entwischt. Winkelspinnen leben von Insekten. Da sie sich auch gerne am Boden unter Steinhaufen oder Wurzeln nieder lassen, gehören Kellerasseln ebenfalls zum Speiseplan. Die Injektion, die die Spinne ihrem Essen verabreicht, beinhaltet eine Säure, mit deren Hilfe sich der Gefangene innen auflöst, damit er später im Versteck mit Genuss ausgeschlürft werden kann.

Es lohnt sich wirklich, Lebensräume speziell für Spinnen zu schaffen und sie als Verbündete im Kampf gegen Schädlinge zu betrachten. Ein paar aufgeschichtete Natursteine, am besten vor Regen geschützt unter einem Vordach, bieten den Winkelspinnen Unterschlupfmöglichkeiten. In Kellern oder Schuppen kann man sicherlich einige Nester tolerieren, zumal die Winkelspinne keinerlei Gefahr für den Menschen bedeutet. Es heißt sogar, dass sie gar nicht durch die menschliche Haut durchkommt, um ihr Gift zu verspritzen. Wir gehören absolut nicht in ihr Beuteschema und so wird sie bei einem Zusammentreffen garantiert viel lieber das Weite suchen. Und bitte nicht sofort zum Pantoffel greifen, um eine Spinne, die sich ins Haus verirrt hat, platt zu machen. Vielleicht gibt es ja doch ein Familienmitglied, welches genug Mut besitzt, um mit Hilfe eines Bierdeckels und eines Wasserglases den Irrläufer lebend ins Freie zu transportieren.